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Kochen an Bord

Wer gewinnt die Galley Slave Trophy? Die letzten drei Tage hatten wir mit einem Tiefausläufer zu kämpfen. Nichts Böses, aber bei den bis zu 40 Knoten Wind ging das Bordleben nicht mehr ganz so leicht von der Hand.

Kochen in voller Offshoremontur. Reallife at the Extreme.

Eine schmerzliche Einschränkung während dieser Zeit war, dass bei dem permanenten Wellenschlag das Kochen weitestgehend eingestellt werden musste. In solchen Situationen stellt die optimale Nahrungsquelle unser Freeze Dried Proviant dar. Einfach mit kochendem Wasser aufgegossen in der Tüte verzehrfertig bildet es eine warme, nahrhafte Mahlzeit. Von Spaghetti Bolognese bis Rind süß-sauer ist das Spektrum der so nachgeahmten Speisen zwar relativ groß, der Imitationserfolg ist allerdings stark schwankend. Um so begeisterter waren wir alle, als Sinje heute abend bei ruhigeren Bedingungen einen großen Topf Labskaus gezaubert hat. Samt Spiegelei! Zur Feier des Tages lohnt es sich deshalb einen Rückblick auf die kulinarischen Höhepunkte unserer Reise zu wagen. Beim Newport-Bermuda Race erhält der Koch des Schiffes mit der längsten gesegelten Zeit die prestigeträchtige Galley Slave Trophy. Da man kaum länger unterwegs sein kann als wir, soll dieser Titel nun auch bei uns an Bord ausgelobt werden. Hier sind die Nominierten: Zu allererst natürlich Sinje mit ihrem heute dargebotenem, hanseatischen Klassiker in der Southern Ocean Version. Dann Felix mit seinem Butterchicken, einer kompromisslosen Umsetzung des Freeze Dried Genres. Und Per mit seinen Spaghetti con Tonno et Achillo, der mit besonderem körperlichem Einsatz brillierte. Die Herausforderung der Essenszubereitung beginnt bereits mit dem Zusammensuchen der Zutaten. Über die gesamte Länge der Haspa sind Konserven und Tüten zum Teil in Boxen, in Segelsäcken oder unter den Bodenbrettern verteilt. Hat man herausgefunden wo was liegt, müssen bisweilen noch Segel umgestaut werden, um an die begehrten Kichererbsen oder Bohnen heranzukommen. Einfacher hatte es da Felix, denn sein Butterchicken kommt vollständig zubereitet in einer großen Tüte voll orangegelbem Pulver für 10 Personen. Alles mit 3 Litern Wasser in einen Kochtopf und aureichend ziehen lassen. Fertig! Vereinzelte Fleischstückchen, die nicht ordentlich durchgezogen und daher mit einem mehlig, trockenem Kern überraschen, machen den ganz besonderen Charme dieses Hochseeklassikers aus. Aber allein das schiere Wasserkochen ist bei 40° Lage und Seegang keine leichte Aufgabe. Grundvoraussetzung für das Kochen ist der halbkardanisch gelagerte Gasherd, der mit den Bewegungen in der Querachse des Schiffes mitschwingt. Nichtdestotrotz ist Vorsicht geboten, wann immer mit kochendem Wasser hantiert wird. Sehr wichtig ist es auch, dass der Koch selber sich ausreichend sichert, so dass es durchaus üblich ist, sich am Herd festzubinden. Sind beide Hände in Gebrauch wird das Ausbalancieren der Schiffsbewegungen zur sportlichen Herausforderung. Nicht ungefährlich, wie unser dritter Nominierter Per zeigt. Beim Abschrecken seiner Nudeln von einem Brecher überrascht, wurde er mit dem heissen vollen Topf durch den Salon bis in die Nasszelle geschleudert und konnte unter Einsatz seiner körperlichen Uversehrtheit immerhin die Hälfte des Inhaltes retten. Die andere Hälfte brachte dem Gericht, vom Boden aufgelesen, eine ganz einmalige Würze. Sein Kommentar: "Nudeln abschrecken bei 30 Knoten Wind, das trauen sich nicht einmal die Volvos!" Recht hat er. Reallife at the Extreme. Dank solch tapferer Einsätze können wir uns auf dieser Tour über schlechtes Essen also wirklich nicht beklagen. Und wer macht nun das Rennen? Erstaunlicherweise haben alle drei Nominierten die Auszeichnung als Oberküchensklave abgelehnt. Wohl aus Bescheidenheit.

Schöne Grüße von der ganzen Crew aus unserer ganz persönlichen Hells Kitchen!

Bericht 15 22.02.2016, 01:50 UTC, 56°03.785'S 85°55.192'W